Gender Bias & Stereotype

Es handelt sich dabei um geschlechtsbezogene Zuschreibungen und geschlechtliche Verzerrungseffekte.

Stereotype geben Struktur, sie sind grundsätzlich hilfreich, sich in der Welt zurechtzufinden, indem sie Unsicherheiten reduzieren und Orientierung geben. Es sind unbewusste, vereinfachende Vorstellungen, welche die Wahrnehmungen einer Person bestimmen und so zu einer schnellen Einschätzung verhelfen. So wichtig diese in einer komplexen Welt auch sind, bergen Stereotype die Gefahr, dass es zu Zuschreibungen bestimmter Eigenschaften an Personen und -gruppen kommt, die mit dominanten gesellschaftlichen Bewertungen verbunden sind und so Hierarchie und Machtverhältnisse darstellen und gleichzeitig verfestigen.

Die Geschlechterstereotype „Männer sind an Technik interessiert, wenig kommunikativ, wenig empathisch, mathematisch begabt, zielstrebig, entscheidungsfreudig, …“ stehen in Differenz zu „Frauen sind technisch nicht interessiert, kommunikativ, empathisch, mathematisch nicht begabt, teamorientiert, sozial …“. Völlig außer Acht gelassen werden in diesen Diskussionen Menschen, die sich in ihrer Vielfalt nicht in derartige Dichotomien einordnen lassen. Obgleich die aktuelle Forschung Erklärungen vorweist und widerspricht, sind diese „natürlich gegebenen“ Vereinfachungen mit allen ihren individuellen beruflichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Konsequenzen sehr hartnäckig und weit verbreitet.

Damit sind wir beim Gender-Bias, der durch das Aufgreifen dieser Geschlechter-Stereotype systematische Verzerrungseffekte im Handeln bedingt. Es geht um eine unbewusste Beeinflussung von Wahrnehmung und Entscheidungen durch derart  dichotome, positive oder negative Bewertungen einer  Person. Im beruflichen Kontext geht es hier beispielsweise darum, wie Lebensläufe bewertet werden, wie Entscheidungen über eine Aufnahme ins Unternehmen getroffen werden, wie über Karriereentwicklungen entschieden wird oder wie Gehaltssprünge argumentiert werden. Dass es hier trotz der rechtlichen Gleichstellung im Bundes- und Gleichbehandlungsgesetz noch einiges an Reflexionsarbeit braucht, zeigt jedenfalls der Gender-Pay-Gap, in Österreich im Jahr 2020 bei 18,9 % (gerechnet über Bruttoverdienste von Männern und Frauen) liegt und somit weit entfernt ist von Durchschnitt der EU-Länder mit 13 %. Der bereinigte (Berücksichtigung von Teilzeitarbeit, Branche, Bildungsstand oder Berufserfahrung) Gender-Pay-Gap liegt in Österreich immer noch auf 12,7 % zeigen die Daten der Statistik Austria aus 2020.

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Intersektionalität am Weg

Waren es in den 1970er und 1980er Jahren die Gleichheits- und die Differenztheorien, hat sich später die (De)Konstruktion durchgesetzt, welche wiederum eine Basis für die aktuell stark verbreiteten Intersektionalitäts-Theorien darstellt.

Intersektionalität ist ein Konzept, das Ende der 1980er Jahre in den USA entstanden ist, der Name Kimberlé Crenshaw ist mit dessen Entstehungsgeschichte untrennbar verbunden. Es waren Schwarze Feministinnen, die ihre weißen Kolleginnen dafür kritisierten, dass sie sich anmaßten, für sie zu sprechen, denn ihre Kontexte unterscheiden sich deutlich von denen der weißen Frauen. Sie sind nicht nur von Geschlechterdiskriminierungen betroffen, sondern auch von den ethnischen Diskriminierungen, die sich an der Hautfarbe festmachen lassen: Sexismus trifft Rassismus. Intersektionalitäts-Theorien gehen davon aus, dass strukturgebende Kategorien wie Geschlecht oder Ethnie nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern in ihrer Verwobenheit miteinander analysiert werden müssen.

Stereotype Vorstellungen von Männern* und Frauen*, was deren Einstellungen, Verhaltensweisen, Interessen oder Kompetenzen betrifft und die damit verbundenen Hierarchisierungen und sozialen Machtaspekte, stehen also in einer Wechselwirkung mit ebenso weitgehend unhinterfragten Vorstellungen über weitere Diversitätsfaktoren. Sexismus und Rassismus trifft somit auch sozialen Status, Religion, Bildung, sexuelle Orientierung, Behinderung oder Alter. Kimberlé Crenshaw bietet dafür die Metapher einer Kreuzung „Intersection“ an, in deren Mitte marginalisierte Gruppen zu denken sind, auf die Diskrimierungen (Unfälle) aus mehreren oder allen Straßenrichtungen gleichzeitig treffen können. Diskriminierungsformen von Geschlecht und Alter gepaart mit Religion beispielsweise können dabei nicht einzeln gedacht werden, sondern beeinflussen sich gegenseitig, potenzieren sich und das bedeutet auch, dass so neue Formen von Diskriminierung entstehen können.

Das scheint alles sehr logisch, aber gleichzeitig auch schwer zu fassen. Wann und wo treten derartige mit Machtunterschieden und Hierarchisierungen verbundene Formen von Diskriminierungen auf? Was bedeuten diese Mehrfachdiskriminierungen für die Betroffenen? Wie kann damit umgegangen werden? Diese Fragen stellen jedenfalls ein breites Handlungsfeld für eine Intersektionalitäts-orientierte Forschung dar.

Ein inklusives Bildungsmodell

Ziel war den Schüler*innen über einen selbstgesteuerten Prozess, der eine (online) Dialog-, Forschungs- und Analyse und Präsentationphase enthält, zu ermöglichen, Themen im Kontext der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 auszuwählen, frei zu explorieren und zu erforschten und schließlich ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit und Stakeholdern*innen zu präsentieren. Das CEPNET-Projekt entwickelte ein Modell für Grundschulen, das die Ebenen des Unterrichts vor Ort und in der digitalen Welt auf innovative Weise miteinander verbindet.

In der Evaluation des Projekts hat sich gezeigt, dass CEPNET die Möglichkeit bietet, Schule neu zu denken – die Schüler*innen  in ihrer Vielfalt an die erste Stelle zu setzen und ihre Interessen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Schüler*innen wurden gestärkt, steigerten ihre kognitiven und emotionalen Kompetenzen und erweitern ihre Einstellungen. Die Kinder arbeiteten zu den unterschiedlichsten UN-SDGs, es hätte aber auch jedes andere Thema sein können, wie z.B. ein Fokus auf Kinderrechte, Unternehmer*innentum, Citizen Science oder Digitalisierung. Die Themen stehen nicht im Vordergrund – der Fokus liegt auf der strukturellen Verankerung des Modells zur Stärkung der Kinder in der Schule. Für die Pädagog*innnen bedeutet dieses Modell, dass sie in den Hintergrund treten und ihre klassische Funktion der Wissensvermittlung zugunsten einer Rolle als Coach für die Kinder eintauschen.

Dies setzt Vertrauen in die Kinder voraus und hat sich in CEPNET bewährt: Die Schüler*innen haben ihre Forschungen mit großer Freude durchgeführt und die hohe Zahl der Pädagog*innen, die das Modell in ihre reguläre Unterrichtspraxis integrieren werden, zeigt seinen didaktischen Nutzen. Auf diese Weise zieht CEPNET seine Kreise bis in die Familien hinein, wie die hohe Wertschätzung der Forschungsergebnisse der Schüler durch ein Elternteil zeigt: „Ein erstaunlicher Tag, an dem man die harte Arbeit und die Bemühungen sowohl der Erwachsenen als auch der Kinder deutlich sehen konnte.“ Darüber hinaus blieb CEPNET nicht bei der Schule oder der Familie stehen, sondern erstreckt sich auf die Gemeinden und auch auf die Regierungsebene.